Fußnoten zur Fußballgeschichte

Fußballbücher Ratibor

{ 21:47, 8-Feb-2009 } { 0 Kommentare } { Link }

Ratibor ist stolz darauf, dass hier im Jahre 1903 Oberschlesiens erster Fußballklub gegründet wurde. Innerhalb der Wojewodschaft "Schlesien", die allerdings nur Teile Oberschlesiens und verwirrenderweise Kleinpolens umfasst ist der Kreis Ratibor das Hauptsiedlungsgebiet der deutschen Minderheit, die in einigen Ratibor umgebenden Ortschaften sogar mehrere Bürgermeister stellt. Während anderenorts in Schlesien mit dem völligen Bevölkerungsaustausch nach dem Kreig auch das Wissen um die Vorkriegsgeschichte des Fußballs verlorgen ging, ist man sich in Ratibor der Pionierrolle im oberschlesischen Fußball auch durch die teilweise Siedlungskontinuität bis heute bewusst.

Das Wissen um Ratibors Pioniertradition beflügelte zumindest namentlich auch das 2003 erschienene Buch "100 lat pilki noznej na ziemi raciborskiej" (100 Jahre Fußball im Ratiborer Land) von Jerzy Kwasny. Angesichts der spärlichen Literatur zur schlesischen Fußballgeschichte schien der Kauf für mich damals Pflicht zu sein, zumal der teure über 360-seitige Farbband immense Erwartungen weckte. Bei erster Durchsicht stellte sich jedoch die größte Ernüchterung ein, die mir eine Neuveröffentlichung bereiten konnte. Der Autor schaffte das Kunststück, das wohl langweiligste Fußballbuch überhaupt zu veröffentlichen. Das Buch gliedert sich ausschließlich nach den in der Saison 2002/03 im Kreis Ratibor gemeldeten Vereinen, von denen dann Saison für Saison sich wiederholende Abschlusstabellen wiedergegeben sind, die mit immerhin zahlreichen Schwarz-Weiß- und Farbfotos des Saisonkaders unterfüttert sind. Angsichts dessen, dass Dorfvereine im sozialistischen Polen sowieso durchweg LZS hießen eine unerträgliche Statistikqual, die uns Jerzy Kwasny hier zumutete. So beschränkte sich der historische Wert des Buches auf die mageren 9 Seiten im Anhang "Z archiwum" (aus dem Archiv), in der wir kommentarlos Manschaftsfotos aus der Vorkriegszeit von Ratibor 03 und Preußen 06 finden. Nicht ganz... Die scheinbar aus der Vertriebenenpresse gesammelten Bilder wurden mit den deutschen Bildunterschriften abgescannt. Auf diese Weise ist gleich als erstes vor einem Tor die "Handballmanschaft des ATV" zu sehen. Eine Komplettaussage zur Qualität des gesamten Buches.

Zwei Bücher, deren Qualität kaum gegensätzlicher sein kann

2006 erschienen, doch erst jetzt von mir im Buchhandel entdeckt, hat Piotr Sput mit seinem viel bescheidener daherkommenden Titel "Z dziejow raciborskiego sportu" (Aus den Annalen des Ratiborer Sports; ISBN 83-89802-13-9) und trotz des Anspruches über den gesamten Sport zu berichten, viel mehr aus der Fußballgeschichte offengelegt. Einige der im Buch behandelten Themen fanden sich bereits in Aufsätzen des Lehrers an der Ratiborer Mechanikerschule in der Zeitschrift "Ziemia Raciborska" (Ratiborer Land) und anderen lokalen Schriften. Als Kenner des Themas konnte ich zwar kaum grundsätzlich neue Erkenntnisse aus der Lektüre mitnehmen, doch bereits die Bibliografie beweist, dass Sput in mühevoller Arbeit den Weg in Archive nicht gescheut hat. Da seine Frau als Germanistin tätig ist, dürfte ihm die Auswertung der umfassenden Presseorgane der Vorkriegszeit sowie der nahezu deutschprachigen Literatur nicht übemäßig schwergefallen sein. Vor dem Hintergrund des tiefen historischen Einstiegs bildet der Titel auch eine erfrischende Ausnahme in der Sportliteratur in den polnischen Westgebieten, die meist "historisch" im Jahre 1945 einsetzt. In seiner deutschsprachigen Zusammenfassung erinnert Sput gleichwohl daran, dass angesichts des immensen Verlustes an Primärquellen durch den Zwieten Weltkreig eine vollständige Erforschung der Vorkriegsgeschichte des Ratiborer Sports mehr möglich ist. Obwohl damit auch für mich viele Fragen nach der Lektüre offenblieben, überwiegt die Dankbarkeit, dass ein Autor die sonst vergessene Sportgeschichte der Vorkriegszeit auch der heutigen polnischen Bevölkerung überliefert hat. Einzig die schlechte Reproduktionsqualität vieler historisch interessanter Abbildungen mindern den insgesamt hervorragenden Eindruck etwas.


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