Hannovera locuta, causa finita

Hannover 96 - Eine Fußballmannschaft soll sich zum Spekulationsobjekt und Amüsierbetrieb wandeln

10:57, 17-Dec-2007 .. 0 Kommentare .. Link
Seit geraumer Zeit quengelt unser Präsident und Geschäftsführer Martin Kind, ein wenig seinem Nachnamen gerecht werdend, bei der DFL bezüglich einer gravierenden Änderung der Statuten. In Zukunft soll es möglich sein, dass die zu verschiedenen betrieblichen Gesellschaftsformen ausgegliederten Profiabteilungen zahlreicher Fussballvereine bis zu 100% veräußerbar sind. Bisher müssen über 50% der Kapitalgesellschaften vom Stammverein gehalten werden (also bei uns vom Hannoverscher SV von 1896 e.V.), so dass der auf demokratischen Gestaltungsprinzipien basierende Verein immer das letzte Wort haben kann und der professionelle Fußball in Deutschland nicht Gefahr läuft zum Spekulationsobjekt profitorientierter Investoren zu verkommen. Über die Gefahren für den Fußball einer gänzlichen Öffnung zum Kapitalmarkt berichtete der Kurvengedanke bereits in der Ausgabe 73 (wer ihn nicht hat, findet ihn zum Download unter www.ultras-hannover.de).

Bisher konnten Martin Kinds Verstöße in diese Richtung bei der DFL nur eine Minderheit an Sympathisanten gewinnen, so dass eine freiwillige Änderung der DFL-Statuten kurzfristig nicht absehbar war. Unser Geschäftsführer der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA und Vereinspräsident in Personalunion erhöht daher nun den Druck auf die DFL und könne sich auch vorstellen vor Gericht zu ziehen, um die sogenannte 50+1-Klausel abzuschaffen, sollte es zu keiner Einigung im Konsens kommen. Mit anderen Worten stellt er die DFL vor die Wahl die Klausel freiwillig zu beseitigen oder sich einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit ihm stellen zu müssen. Dass die Klausel fallen muss, scheint für Kind unumgänglich, lediglich beim wie (sprich Auflagen und Einschränkungen der Investments) gibt es wohl noch Verhandlungsspielraum. Man wird nun sehen wie die Deutsche Fußballliga mit der Pistole auf der Brust reagieren wird. Kinds Chancen die Klausel vor dem europäischen Gerichtshof zu kippen, dürften jedenfalls nicht schlecht stehen, so dass Bewegung der DFL zu erwarten ist.

Doch wem nutzt diese Revolution des Clubfussballs eigentlich, welche Vorteile könnten sich ausgegliederte Profiabteilungen erhoffen? Erhöht werden kann auf jeden Fall das Kapital der Gesellschaften, da fortan über das Doppelte an Anteilen zum Verkauf steht. Mit diesem frischen Kapital möchte Kind unseren Etat um einige Millionen erhöhen und somit von der Finanzkraft zu den Großen der Liga aufschließen. Das Geld würde man natürlich in die Mannschaft investieren um die sportliche Qualität zu erhöhen und somit eine Grundlage zu schaffen, um dauerhaft national oben und auch international mitspielen zu können. Zwar geht die Gleichung zwischen Geld und Erfolg im Fußball auch oft nicht auf, aber grundsätzlich ist mehr Kapital natürlich schon ein wichtiger Baustein für eine sportliche Weiterentwicklung (gerade wenn es schnell gehen soll). Absurd ist es allerdings zu glauben, dass nur Hannover 96 sich diesen Wettbewerbsvorteil sichern würde. Auf der einen Seite würden sich anderen Teams aus der Mitte der Liga nicht zugucken wie Hannover ihnen enteilt, sondern auch sie würden natürlich Investoren ins Boot holen und gemeinsam mit 96 aufschließen. Alleine würde 96 also wohl kaum in die Phalanx der Großen einbrechen wollen und können. Die Clubs an der nationalen Spitze wiederum, werden wohl kaum tatenlos zusehen wie die Spitze immer breiter wird und sie sich plötzlich mit zehn anderen Mannschaften um die Meisterschaft und die Europapokalteilnahme balgen müssen. Auch diese Clubs würden sicher Investoren ins Boot holen und wären um einiges attraktiver als Hannover 96, so dass ganz andere Summen erzielt werden könnten. Kurzum, dass Status Quo wäre vielleicht schneller wieder erreicht, als 96 lieb sein könnte. Lediglich im internationalen Wettbewerb könnte diese generelle Kaufkraftsteigerung der Bundesliga von Vorteil sein, aber auch die internationalen Plätze sind limitiert, so dass vielleicht ein Platz mehr rausspringt bzw. die derzeitige Anzahl gegen Verfolger wie Rumänien verteidigt werden kann (ein Blick auf die Finanzen der rumänischen Clubs dürfte veranschaulichen, dass Geld anscheinend nicht das einzige Kriterium für internationale Wettbewerbsfähigkeit sein kann).

Ein wesentlich größerer Profiteur der neuen Fußballwelt als die deutschen Clubs wären jedenfalls die Spieler, denn wie einst beim Bosman-Urteil dürften sie sowohl in der Spitze als auch in der Breite teurer für die Vereine werden. Und diejenigen die in Clubs investieren werden, wollen auch zu Gewinnern werden und sind sicher keine Wohltäter. Da hilft es auch wenig, dass Kind eine Mindestdauer für Investments vorschlägt, um die Spekalutionsgefahr einzudämmen. Der Investor will sein Geld nicht verschenken, sondern mit Hilfe von Hannover 96 oder anderen Clubs vermehren und er will dementsprechend bestimmen was mit seinem investierten Geld geschieht. Um Gewinne zu generieren, stünden mit Sicherheit unbequeme Entwicklungen ins Haus. Wie in Ausgabe 73 skizziert, wäre vieles möglich. Vereinsfarben, günstige Ticketkategorien, die Anstoßzeiten, Vereinsnamen (bzw. dann der Name der Profimannschaft), Wappen und vielleicht gar der Spielort der Mannschaft wären in Gefahr. Nicht auszuschließen dass Lizenzen (wie die der Hannover 96 GmbH & Co KGaA) dann einfach in andere Städte vergeben werden, in denen man sich bessere Einnahmen mit seiner zum Amüsierbetrieb verkommenen Mannschaft erhofft. Was im US-Sport Usus ist und auch im englichen Profifußball schon praktiziert wurde, wäre auch in Deutschland nicht mehr utopisch. Solange die Mitgliedschaft eines Vereins das letzte Wort hat, ist so etwas dagegen kaum vorstellbar.

Es muss nicht alles so schlimm werden, aber allein schon diese Szenarien zu ermöglichen wäre unverantwortlich. Daher ist es Pflicht eines jeden Liebhabers von Hannover 96 all diese Entwicklungen kritisch zu hinterfragen. Fraglich ob die vermeintlichen Pro-Argumente einer endgültigen Öffnung zum Kapitalmarkt sich behaupten können. Wir sehen jedenfalls keinen Wettbewerbsvorteil für Hannover 96 bei einem Verkauf an Investoren, die Gefahren dagegen kreisen über uns wie ein Damoklesschwert.


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