Auswärtsfahrt mal anders
Es gibt viele Möglichkeiten zu einem Auswärtsspiel zu reisen, eine ganz besondere wählten sechs junge Unioner und fuhren mit dem Fahrrad nach Cottbus.
Bereits am Samstag traf man sich am Bahnhof Königs Wusterhausen, wo eine Demonstration der NPD stattfand. Zum Glück sah man aber bloß die Gegendemonstranten und konnte ganz in Ruhe auf einen verspäteten Mitfahrer warten. Als der dann eintraf hätte es losgehen können. Ging es aber nicht, denn jetzt fuhr die Brandenburger Polizei alles auf, was sie hat. Drei gepanzerte Räumwagen, zwei Wasserwerfer, diverse LKWs und unzählige Kleinbusse. Die rollende Steuergeldverschwendung ließ dann gleich das erste Mal Fußballstimmung bei uns aufkommen, man ist den Anblick als regelmäßiger Auswärtsfahrer ja gewohnt.
Die heutige Tagesetappe sollte uns bis ins beschauliche Burg im Spreewald führen und da kommt man als Radfahrer am besten auf dem Spree-, bzw. Gurkenradweg hin. So ging es durch beschauliche Dörfer und dichte Wälder auf weitestgehend autofreier Strecke in zügigem Tempo südwärts. Dabei passierte man auch einen alten Militärflughafen, auf dem gerade für Tom Cruise’ Stauffenberg-Film “Valkyrie“ gedreht wurde. Natürlich war alles weiträumig abgesperrt, was uns aber aufgrund der Tatsache, dass Menschen die für eine Sekte werben eh nicht interessieren, ziemlich egal war. Kurz hinter Lübben machten wir nach 80 gefahrenen Kilometern die erste große Rast, die herrlich duftenden Knoblauchgurken konnte man einfach nicht ungekostet liegen lassen.
Gesellschaft leistete uns dabei ein älteres Ehepaar aus der Umgebung, das auch gleich noch eine Abkürzung für uns kannte. Dieser folgten wir auch und was uns da auf ca. 10 km erwartete war Abenteuer pur. Die rumpelige Fahrt über alte Panzerplatten war eine gute Einstimmung auf eine Odyssee, nach der sich jeder von uns wünschte eine Machete und ein dabei gehabt zu haben. Des Öfteren galt es über knapp 50 cm breite Schleusentore zu balancieren, was mit einem voll beladenen Fahrrad auch leicht mal im Wasser enden kann. Doch wir hatten Glück und kamen trockenen Fußes in den Morast eines Sumpfgebiets. Dort flog uns derart viel Matsch um die Ohren, dass man damit locker drei Wellnesshotels hätte versorgen können.
Letztendlich war es aber eine schöne Abwechslung, auch wenn Rad und Radler danach aussahen wie sau. Der Stimmung tat das aber keinen Abbruch, denn nach unserem kleinen Abenteuer erwartete uns das erste Etappenziel unserer Reise mit bestem Wetter. Unser Lager schlugen wir direkt am Wasser, in der Nähe eines Bauernhofs auf. Idylle pur!
Unsere Abendgestaltung sah dann ein Hexenfest am örtlichen Bismarckturm vor, das zunächst mittelmäßig war, bis die örtlichen Pyrotechnikfreunde ein Feuerwerk zündeten, das unter uns irgendwann nur noch Inferno Burg genannt wurde. Da alles auf dem Turm aufgebaut war konnte man zuweilen denken die wollen das Kulturdenkmal abreißen. Überall krachte und knallte es und Rauchschwaden der Marke “zwanzigminütige Spielunterbrechung“ zogen ins Land. Das sollte dann auch gar nicht mehr aufhören, kurz vorm Einsetzen der Genickstarre war dann aber doch Schluss und das anwesende Publikum zeigte seine Begeisterung recht deutlich. Da es erst kurz vor um zehn war, suchte man nach Abendbeschäftigung.
Als wir gerade gehen wollten, kam ein angetrunkener Mann mit einer Zipfelmütze auf uns zu, der ganz begeistert davon war, dass wir Unioner seien. Auf die Frage wo in der Nähe eine Tankstelle sei antwortete er ganz trocken mit “Bei mir, kommt doch einfach mit“. Spontan wie wir junge Menschen sind, haben wir unsere Räder geholt und gingen mit. Seine zwei Kinder, die er dabei hatte, kommentierten seinen Zustand nüchtern aber treffend mit “Papa, du bist betrunken“
Nach kurzem Fußmarsch mitten in einen Wald standen wir vor einem stattlichen Haus. Seine Frau war auch zu Hause und schien sich sogar über unseren Besuch zu freuen, bat sie uns doch recht herzlich hinein. Scheint wohl normal zu sein, dass Kai, so hieß der gute Mann, öfter mal sechs fremde Leute ins Haus holt. Er rannte dann auch gleich in den Garten, kam mit einer Kiste Dortmunder Bier wieder und führte uns in sein Energie-Zimmer, das sogar zwei Unionschals schmückten. Premiere wurde angeworfen und so kamen wir zum unverhofften Glück doch noch Fußball sehen zu können.
Natürlich wollte uns Kai nicht gehen lassen, bevor die Kiste alle war und so verbrachten wir eine ganze Weile bei ihm mit netten Gesprächen, die allerdings nicht hierher gehören.
Nach unserem Besuch ging es mit den Rädern zurück in Richtung Zelte, wobei wir auf eine Geschwindigkeitsmessanlage trafen, die ausgiebig für Rekordversuche mit dem Fahrrad genutzt wurde. Der beste war 45 km/h schnell, was in anbetracht der Uhrzeit und des ein oder anderen Biers wirklich respektabel ist. Mit gut 110 km in den Beinen verbrachten wir danach eine ziemlich kalte Nacht im Zelt.
Am nächsten Morgen weckte uns ein Anruf vom rbb. Die hatten mitbekommen, dass Unioner mit dem Rad unterwegs sind und wollten uns unbedingt filmen. Kein Problem, wir leisten gerne einen Beitrag zur positiven Außendarstellung des Vereins. Nach einem entspannten Frühstück traf man sich in einer Kneipe mit sieben Radlern der älteren Garde Unions, die von Lübben aus losgeradelt waren. Der nun aus 13 Velophilen bestehende Konvoi zauberte wirklich jedem ein Dauergrinsen ins Gesicht. Es ist einfach ein tolles Gefühl mit so viel Gleichgesinnten unterwegs zu sein und eine Spur auf der Landstraße nur besetzt mit Radfahrern zu sehen. Zügig ging’s über die Dörfer zum verabredeten Treffpunkt mit dem Kamerateam. Die trafen gerade noch pünktlich zu unserer Vorbeifahrt ein und durften sich als erstes von uns mit einem schallenden Eisern Union anbrüllen lassen. Sie filmten uns noch eine ganze Weile bei der Fahrt und es entstanden sehr ansehnliche Bilder.
Uns lief unterdessen ein wenig die Zeit weg und so wurde das Tempo deutlich angezogen. Wie an einer Perlenkette aufgereiht schlangen wir uns durch den Spreewald entlang des gleichnamigen Flusses. Vorm Stadion dann Polizei ohne Ende, aber das kannten wir ja aus KW. Nach dem fünften “Ihr seid doch verrückt mit dem Fahrrad her zu fahren“ waren wir dann pünktlich im Stadion und wollten, zusammen mit ca. 2500 anderen Unionern endlich den ersten Auswärtssieg der Mannschaft sehen.
Zunächst machten aber die sehr starken Cottbusser das Spiel, doch unserem Ruf als Aufbaugegner sollten wir heute nicht gerecht werden und eierten durch Tore von Mattuschka und Benyamina zum Sieg. In der zweiten Hälfte widmeten sich die Unioner dann Steffen Baumgart, der für die Zweitvertretung der Cottbusser auf dem Platz stand, im Herzen aber Unioner ist. Immer Lautstärker wurden die Sympathiebekundungen der Gäste. Dem tat auch der zwischenzeitlich geplatzte Spielball keinen Abbruch und so musste sich die Mannschaft doch sehr wundern, als sie nach Spielschluss nur Steffen Baumgart Rufe zu Ohren bekam. Dennoch ließ es sich Sebastian Bönig nicht nehmen den Block in capomanier vom Zaun zum Kochen zu bringen. Respekt!
Dann kam der wohl emotionalste Moment des ganzen Tages. Steffen Baumgart lief mit seinen Kindern auf die Gästekurve zu und ließ sich dort feiern. Das beeindruckte ihn derart, dass er ein paar Tränchen vergoss und mit der Faust auf dem Herz signalisierte, an welchen Verein er eben jenes verloren hat. Großartig dieser Mann!
Uns Radfahrer erwartete vorm Stadion wieder das Kamerateam, das unsere triumphale Abfahrt filmte. Weit kamen wir jedoch nicht, schon am Cottbusser Altmarkt tauschten wir Sattel gegen Stuhl und ließen bei einem verdienten Bierchen ein großartiges Wochenende, an dem einfach alles geklappt hatte, Revue passieren. Unser Glück blieb uns auch auf der Rückfahrt treu, die wir ganz dekadent und vor allem unbehelligt in der ersten Klasse bestritten.
Der Abend endete mit der rbb-Sendung Sportplatz, in der man tatsächlich die Bilder der Rad fahrenden Unioner sendete.
Insgesamt ein rundum gelungenes Wochenende, das besser nicht hätte laufen können. Ich hätte nicht gedacht, dass noch mal eine Steigrung der ersten Radtour nach Magdeburg möglich sein sollte, vor allem bei den vielen Leuten, die sich zum Teil noch nie vorher gesehen haben, Wahnsinn.
Das ist Union und schreit förmlich nach einer Wiederholung.
|