Fußnoten zur Fußballgeschichte

Saison 1910/11 Camillo Ugi

{ 13:53, 16-Mar-2011 } { 4 Kommentare } { Link }

Drei Wochen nachdem der Karlsruher FV die Deutsche Meisterschaft 1910 errungen hatte, forderte der VfR Breslau den KFV zum Duell. Die 1:8-Niederlage des VfR bewieszeigte den Rückstand der schlesischen Fußballer, auch wenn der VfR in dieser Saison nur 4. in der Breslauer Liga wurde, die der SC Germania für sich entschied. Die Germanen zogen mit Siegen über den Namensvetter Germania Kattowitz und den Deutschen SV Posen in das SOFV-Endspiel ein und scheiterten hier am FC Askania 01 Forst (Lausitz).

Die „Baltenmeisterschaft ging an den SC Lituania Tilsit (später Tilsiter SC), der im Endspiel den SV Ostmark Danzig 4:2 besiegte. Beide Finalisten hatten zuvor souverän im Halbfinale den SV 1910 Allenstein bzw. den SV Marienwerder ausgeschaltet.

Tilsiter SC (1929 hervorgegangen aus Lituania und dem VfK Tilsit)

Während Tilsit in der Endrunde der Deutschen Meisterschaft auf Austragung seines Viertelfinals gegen Viktoria 89 Berlin aufgrund der weiten Reise und damit verbundener Urlaubsprobleme verzichtete, spielte Südost-Debütant Askania Forst gegen den damals großen VfB Leipzig im Viertelfinale munter auf und unterlag nur knapp mit 2:3. Der VfB Leipzig verlor jedoch das Endspiel gegen Viktoria 89 Berlin 1:3, der mit seiner 2. Meisterschaft nun gemeinsam mit dem VfB „Deutscher Rekordmeister“ war. Da das Endspiel im Rahmen der Dresdner Hygieneausstellung ausgespielt wurde, konnte mit 12.000 Zuschauern ein neuer Zuschauerrekord im deutschen Fußball erzielt werden.

 

Camillo Ugi

Auch wenn er keine echte „Breslauer Lärge“ war – Camillo Ugi wurde von den Fußballfans in Schlesien als ihr erster Star geliebt. Der Sohn eines italienischen Vaters war 1906 mit dem VfB aus seiner Heimatstadt Leipzig Deutscher Meister geworden, spielte zwischen 1909 und 1912 insgesamt 15 Einsätze für die Deutsche Nationalmannschaft und war damit, als es ihn 1912 nach Breslau zog, Rekordnationalspieler des DFB. 1904 hatte er eine Lehre zum Elektromechaniker abgeschlossen und arbeitete in einem Betrieb, der Kinematographen herstellte. Mit diesem ungewöhnlichen beruflichen Wissen kam er 1905 nach Brasilien, wo er beim erfolgreichen SC Germania Sao Paulo auflief. Doch beruflich lief es wegen mangelnder Sprachkenntnisse nicht gut, er kehrte nach Leipzig zurück. Nach kurzen Intermezzi in Frankreich und beim FSV Frankfurt war er Teilnehmer der Olympischen Spiele 1912 von Stockholm, als die deutsche Mannschaft mit 16:0 gegen Russland ihren bis heute gültigen Rekordsieg feierte. Nach Olympia nahm Ugi ein Angebot der aufstrebenden „Breslauer Sportfreunde“ an, verbunden mit der Aussicht, eine eigene Werkstatt für Kinematographen zu eröffnen. Obwohl sich diese Berufsaussichten nicht erfüllten und er lediglich als Handwerker in einem Automatenrestaurant tätig war, fühlte er sich hier wohl. Der 1. Weltkrieg beendete die Breslauer Zeit, und nach dem Krieg landete Ugi wieder in seiner sächsischen Heimat, wo er nach Abschluss seiner Karriere bei einem Leipziger Kinematographenhersteller Karriere machte. Ugi starb 1970 in Leipzig. Das Stadion in seinem langjährigen Wohnort Markleeberg wurde 2006 in „Sportpark Camillo Ugi“ umbenannt. Ausgerechnet das einzige Länderspiel in seiner Heimatstadt Leipzig bestritt er als Spieler der Breslauer Sporfteunde und somit erster schlesischer Nationalspieler!



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