Fußnoten zur Fußballgeschichte | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Welche DDR-Klubs wären 1963-90 Bundesligisten gewesen?
{ 12:29, 18-Feb-2011 }
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Diese ebenso spekulative wie vielleicht unsinnige Frage ging mir dieser Tage durch den Kopf, als ich mich einmal wieder mit der Einführung der Bundesliga 1963 beschäftigt habe. Bei Einführung der Bundesliga war das wichtigste Kriterium für die Aufnahme der Vereine aus den Regionalbereichen Norden, Westen, Südwesten, Süden sowie der Westberliner Stadtliga die so genannte Zwölfjahreswertung (http://de.wikipedia.org/wiki/Zw%C3%B6lfjahreswertung), die natürlich durch die staatliche Teilung und einen separaten Spielbetrieb keinerlei Relevanz für das Gebiet der damaligen DDR hatte. Spaßeshalber habe ich dennoch einmal das Punktesystem auf die Klubs aus der DDR-Oberliga angewandt. Dabei ist zu beachten, dass die zweimalige Umstellung des Spieljahres zunächst auf die kalenderjährliche Meisterschaft und später wieder zurück bedingte, dass die Saison zeitweise nicht synchron zum bundesdeutschen System verliefen und ich daher mit "angenäherter zeitlicher Analogie" nur die letzten drei Saisons (einschließlich der langen "Dreifachrunde" 1961/62) vor Einführung der Bundesliga dreifach gerechnet habe, die vier Saisons davor doppelt und die ersten fünf maßgeblichen Saison (darunter die "Einfachrunde" 1955 ohne Rückspiele) einfach. Punkte aus Meisterschaftsendrunden, wie sie die Zwölfjahreswertung vorsah, konnte ich natürlich nicht vergeben, weswegen auch Extrapunkte für Meister oder Pokalsieger ausblieben. Danach ergibt sich - bezogen auf die Mannschaften der DDR-Oberliga 1962/63, die nicht auf einem Abstiegsplatz standen und somit ohnehin nicht in Frage gekommen wären - folgendes Punktbild: Wismut Aue bzw. Karl-Marx-Stadt (296 Punkte) - heute FC Erzgebirge Aue Vorwärts Berlin (271 Punkte) - später nach Frankfurt/Oder delegiert, heute FFC Viktoria SC Lokomotive Leipzig (246 Punkte) - Als "Rest von Leipzig" 1963 Chemie, heute Sachsen Motor Zwickau (226 Punkte) - später Sachsenring, heute FSV Empor Rostock (198 Punkte, einschl. von Empor Lauter 213 Punkte) - heute FC Hansa Motor Jena (192 Punkte) - heute FC Carl Zeiss Dynamo Berlin (190 Punkte) Rotation Leipzig (169 Punkte) - Faktischer Vorläufer vom SC Leipzig und dem 1. FC Lok Turbine Erfurt (160 Punkte) - heute Rot-Weiß Erfurt Chemie Halle (120 Punkte) - heute Hallescher FC Aufbau Magdeburg (72 Punkte) - heute 1. FC Magdeburg Motor Karl-Marx-Stadt (47 Punkte) - heute Chemnitzer FC Zunächst einmal kann nicht mit Bestimmtheit gesagt werden, wie viele Mannschaften dem heutigen fußballerischen "Nordosten" zugestanden worden wären. Proportional zur Einwohnerzahl hätten bei 18 statt 16 Bundesligaplätzen für den Nordosten einschl. Gesamtberlins 4 Plätze zur Verfügung stehen müssen, allerdings war ja z.B. der kleine Südwesten z.B. mit 2 Plätzen eigentlich schon in dieser Hinsicht überproportional vertreten. Ob damals das heutige Kriterium der Anzahl der im Spielbetrieb stehenden Mannschaften gegriffen hätte ist natürlich müßig zu beantworten. Bezogen auf die "heutige" Anzahl von Mannschaften hätten diesem Gebiet 2,3 Klubs in der neuen Bundesliga zur Verfügung gestanden. Da nach der Wiedervereinigung neben dem schon im bundesdeutschen Spielsystem lange integrierten West-Berlin zwei NOFV-Klubs in die Bundesliga aufgenommen wurde, vage ich zu behaupten, dass drei bei dann vielleicht 18 Plätzen für den Nordosten (maximal vier) reserviert worden wären. Zieht man davon den durch die Berliner Vertragsliga vergebenen Platz ab, den Hertha BSC einnahm (während man in Ostberlin ohnehin nur von den Zuschauern gemiedene Retortenklubs in der Oberliga installiert hatte), wären wohl zwei (maximal drei) Klubs aus dem Gebiet der DDR-Oberliga zu nomnieren gewesen. Da die ersten Plätze für die neue Bundesliga bereits in der Winterpause vor Abschluss der Saison 1962/63 vergeben wurden, hätte Rostock vor diesem Hintergrund gewisse Aussichten auf einen Platz in der Bundesliga gehabt, denn Empor führte die Tabelle zur Winterpause an und hatte sich auch in der Vorsaison mit einem 2. Platz empfohlen. Der nach der Zwölfjahreswertung punktemäßig bestplatzierte Klub Wismut Karl-Marx-Stadt bzw. Aue war zu diesem Zeitpunkte Tabellenletzter. Zweitplatzierter zur Halbserie war Jena, das aufgrund der Vorjahre und seines Standes in der Zwölfjahreswertung wohl ebenfalls (zu diesem Zeitpunkt) nicht auserkoren worden wäre. Die übrigen Mannschaften hatten zur Halbserie mindestens bereits 5 Punkte auf Jena bzw. 7 Punkte auf Rostock Abstand. Interessant ist nun, dass die maßlos enttäuschende Wismut-Mannschaft eine beeindruckende Rückserie hinlegte, die sie noch auf Platz 4 spülte. Unter diesem Eindruck und der Tatsache, das Wismut die meisten Punkte in der Zwölfjahreswertung gehabt hätte, wäre Wismuts Aufnahme in die Bundesliga durchaus wahrscheinlich gewesen. Es gab ja auch keinen anderen "Regionalverband" im Westen, in dem die danach bestplatzierte Mannschaft nicht den Einzug in die Bundesliga geschafft hätte. Auch galten die Regional-Meister am Saisonende als direkt qualifiziert, was z.B. 1860 im Süden dem Vorzug vor dem FC Bayern bescherte. Jena wäre nach diesem Kriterium dann vielleicht neben Wismut ausgesucht worden. Sieht man einmal von der sportpolitischen Begünstigung der DDR für Vorwärts Berlin ab, so wäre deren Auswahl durchausmöglich gewesen. Nach der Meisterschaft in den beiden Vorjahren belegte Vorwärts - wenn auch mit deutlichem Abstand - den dritten Platz und hätte auf den 2. Platz in der Zwölfjahreswertung verweisen können. Aber - um die Groteskerie zu vervollständigen - durch den Platz für Hertha BSC hätte man Vorwärts vermutlich nicht aufgenommen, da jeder Stadt nur ein Bundesligaplatz vorbehalten war. Für die Zeiten nach Bundesligaeinführung wird es natürlich noch spekulativer. Zunächst hätte sich der Nordost-Meister und der Vizemeister in aufgeblähten Aufstiegsrunden als Tabellenerster durchsetzen müssen, später als Zweitligist in der zunächst zweigeteilten und später eingleisigen 2. Bundesliga. Insofern ist z.B. fraglich, ob ein DDR-Meister, der in dieser Rechnung eigentlich ein "Regionalmeister" ist, - wie 1967 Chemnitz - das nötige Durchsetzungsvermögen in der Aufstiegsrunde gehabt hätte. Werfen wir also einmal einen Blick darauf, wie häufig die einzelnen Vereine in den DDR-Oberligatabellen 1963/64-1989/90 (in der NOFV-Oberliga 1990/91 fand ja bereits eine Qualifikation zur Bundesliga statt) "auf dem Treppchen" standen, also unter den jeweils drei Ersten platziert waren (genannt sind folgend nur die heutigen Vereinsnamen): - Dynamo Dresden (18) - Carl Zeiss Jena (15) - Berliner FC Dynamo (13) - 1. FC Magdeburg (11) - 1. FC Lokomotive Leipzig (9) Alle weiteren Vereine erlebten nur kurzzeitige Höhenflüge: Vorwärts Frankfurt/Oder (5; davon 4 noch als Vorwärts Berlin), Chemnitzer FC (3), Sachsen Leipzig (2), Hansa Rostock (2), FSV Zwickau (1), Hallescher FC (1). Aufgrund "längerfristig gehobenem Spielniveaus" wären vermutlich irgendwann einmal - zumindest zeitweilig - Dynamo Dresden, der 1. FC Lokomotive Leipzig, der BFC Dynamo, Carl Zeiss Jena und der 1. FC Magdeburg Bundesligisten gewesen - Dresden und Leipzig schafften dies ja ohnehin nach der Widervereinigung, wie auch die zuvor eher im Schatten stehenden Mannschaft von Energie Cottbus sowie Hansa Rostock, das zuvor wohl nur 1963 eine große Chance gehabt hätte. Magdeburg, Jena, Aue und der wohl von kaum jemanden vermisste und von der DDR künstlich geformte BFC Dynamo sind uns so jedoch (auf absehbare Zeit oder für immer?) durch andere Umstände als Bundesligisten vorenthalten worden, wenn man Aues theoretische Chancen bei Bundesligaeinführung und nicht die Zeit 1964-90 zu Grunde legt. Es bleibt freilich ein Gedankenspiel, denn allein die DDR-"Sportpolitik" hat manch gesundem Umfeld die Entwicklungsmöglichkeiten genommen (man denke nur an die großen Fußballzentren der Vorkriegszeit Leipzig und Dresden mit dem VfB Leipzig und dem Dresdner SC), während andere durch diese erst groß wurden - so z.B. auch die von den Fans angenommene Mannschaft in Aue angesichts der Förderung des Wismut-Tagebaus. Die Frage ist also eigentlich ebenso weit hergeholt, wie eine Frage, wer bei Einführung einer Reichsliga, die 1933 durchaus möglich war, in diese eingezogen wäre. Denn neben wahrscheinlichen Klubs wie der SpVgg Fürth, Viktoria 89 Berlin oder Arminia Hannover hätte es damals manche Erstligisten aus dem Kreise gegeben, die die Geschichte nun längst vergessen hat wie z.B. die Breslauer SpV 02, den Stettiner SC, den VfB oder Prussia-Samland Königsberg, Vorwärts-Rasensport Gleiwitz, Beuthen 09 und Preußen oder BuEV Danzig. Und auch der DFB-Bundestag hatte 1958 ja einen (noch gescheiterten) Antrag zu einer Bundesligaeinführung auf dem Tisch. Wäre dieser durchgekommen, wäre der Westmeister von 1959 Westfalia Herne vermutlich ebenso dabei gewesen wie Südwest-Meister FK Pirmasens. |
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